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Daß einer sicher im Geschmacksurteil sei, sagt zunächst nicht mehr, als daß er sich vom einmal gegebenen Bescheid nicht abbringen, darin nicht beirren lassen. Subjektiv bleibt, was befunden wurde, und deshalb ist über den Geschmack nicht zu streiten; doch beansprucht das Geschmacksurteil mehr, als nur subjektiv zu sein. Es enthält die präsumtive Verwunderung darüber, daß andere anders urteilen könnten oder schon konnten. Darin liegt der andere Gehalt des Satzes, über den Geschmack sei nicht zu streiten: Unbestreitbarkeit macht den Gestus des Urteilssicheren aus, auch wenn ihm verweigert wird, was es beansprucht. Das ‚Urteil‘ knan nicht lassen, wozu es gemacht ist: der Sache ein ein Ende setzen.
Hans Blumenberg, Begriffe in Geschichten